Muss man Kniebeugen machen?
Zuerst einmal sollten wir betonen, dass niemand Kniebeugen ausführen muss. Es ist aber eine mega Übung, die Großteile des Körpers muskulär beansprucht und entsprechend auch den Energieumsatz während des Trainings nach oben treibt. Dies macht sie für alle interessant, die Muskeln aufbauen und auch Fett abbauen wollen – zudem stärkt sie die Beine. Und wusstest du, dass sie eine Übung des Kraftdreikampfs ist?!
Aber wie gesagt: Alles, was einem diese Übung bieten kann, wird man auch auf anderen Wegen erreichen. Der Nachteil? Das stellt meist Umwege dar. Kniebeugen bieten vor allem aus Perspektive der muskulären Beanspruchung vieles, was anders nur in Kombination von mehreren Übungen erreicht werden kann. Du siehst, es braucht also nicht unbedingt 1.000 fancy Booty-Übungen.
Wenn du Kniebeugen korrekt ausführst, trainierst du den Core, also die Rumpfmuskulatur, bei einer tiefen Ausführung die Oberschenkel Vorder- wie Rückseite. Je nachdem, ob du die Gesäßmuskulatur stärker oder schwächer belasten möchtest, wählst du die Hantelablage tiefer oder höher.
Die Muscle-Mind-Connection
Wir müssen kurz ausholen: Theoretisch unterscheidet man neben der Herzmuskulatur zwischen glatten Muskelzellen und quergestreifter Muskulatur. Glatte Muskelzellen sind nicht willkürlich ansteuerbar und befinden sich bspw. im Magen-Darm-Trakt. Wir steuern nicht, ob unsere Nahrung durch den Dünndarm geschleust wird und können auch unseren Magen nicht gezielt anspannen.
Quergestreifte Muskulatur stellt wiederum das Material dar, aus dem unsere Skelettmuskulatur besteht. Theoretisch ist diese bewusst ansteuerbar, so dass wir Bewegungen ausführen, Kraft erzeugen oder bspw. einfach winken können. Während Spazieren gehen, Freunden zuwinken, Protein-Shakes trinken und Co. gut funktionieren, hört es beim Aufheben des Wasserkastens oft schon auf. Aber warum eigentlich?
Zum einem kann es an unseren Haltungen im Alltag liegen, die muskuläre Dysbalancen auf Dauer unterstützen, und zum anderen darin, dass auch Sportler oftmals Schwierigkeiten bei der bewussten Muskelansteuerung haben, der sogenannten Muscle-Mind-Connection.
Sei es die Belastung des Latissimus beim Rückentraining, das Reduzieren der Schulterbelastung beim Bankdrücken oder eben die Ansteuerung des Gluteus beim Kniebeugen: Muskelaktivierung und bewusstes Nutzen führt zu einer Mehrbelastung anderer Bereich.
Und das kann zu einem verringerten Muskelwachstum im gewünschten Bereich führen oder im schlimmsten Fall eben zu Schmerzen und Verletzungen in der überbeanspruchten Muskulatur oder des dort befindlichen passiven Bewegungsapparates. Du siehst, die bewusste und korrekte Übungsausführung ist nicht zu unterschätzen.
Die Motivation, die korrekte Technik komplexer Übungen zu erlernen, ist bei vielen Sportlern zwar gegeben, aber unzureichende Anleitungen oder meist unzureichende Bewegungsfähigkeiten führen dennoch zu suboptimalen Ergebnissen. Und haben sich falsche Bewegungsabläufe erst einmal eingeprägt, so dauert es oftmals Monate des bewussten Gegensteuerns, um diese zu korrigieren.
Nicht falsch verstehen: Wir wollen dafür sensibilisieren nicht frustriert zu sein, wenn etwas nicht sofort gelingt. Genauso wie niemand dazu getrieben werden sollte, auch im 10. Trainingsjahr sein Kniebeugegewicht wieder auf den Wert des Vorjahres zu reduzieren, um bei der Technik nichts falsch zu machen.
Wichtig ist aber: Wenn man Schmerzen hat, ist das immer ein Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmt und man seinen Bewegungsablauf reflektieren sollte. Und damit kommen wir zur Kniebeuge.
Einmal anspannen bitte
Einmal die Körperhaltung aufrichten, den Po und Rumpfbereich anspannen, also nicht den Rücken krümmen und den Bauch nach innen anspannen – congrats, die grundlegenden Fähigkeiten für Kniebeugen ohne Rückenschmerzen hast du damit schon.
Jetzt heißt es umsetzen: Bei Kniebeugen sind es insbesondere das Anspannen des Hinterns, was vor allem bei tiefen Kniebeugen im untersten Bereich von Bedeutung wird, als auch das Halten der Spannung im Rumpf. Wird eines von beiden oder sogar beides vernachlässigt, führt dies oftmals zu einer stärkeren Vorlage des Rückens als noch in der Abwärtsbewegung und damit einhergehend zu einer unnötigen Belastung der Bandscheiben. Das wollen wir nicht!
Der Gluteus Medius und Rückenschmerzen nach Kniebeugen
Die Meisten denken beim Muskelaufbau im Po bzw. beim Po-Training direkt an den Gluteus Maximus, aber unser Po besteht aus mehr als nur einem Muskel: Dem Gluteus Minimus und dem Gluteus Medius. Letzterer ist von besonderer Bedeutung, wenn wir am Tag nach den Kniebeugen an Schmerzen im unteren Rücken leiden.
Schauen wir uns den Muskel genauer an: Der Gluteus Medius ist der größere der seitlichen Pomuskeln. Er stabilisiert den Oberschenkel im Hüftgelenk und ist an Innen- wie Außenrotation sowie Beugung und Streckung des Oberschenkels beteiligt. Alles Abläufe, die bei Kniebeugen für den korrekten Bewegungsablauf notwendig sind, um das Gewicht nicht nur auf und ab zu bewegen, sondern auch kontrolliert zu führen und mit den Knien weder nach innen noch unkontrolliert nach außen zu geraten.
Good to know: Monster Walks oder Schwingen des Beins dienen der Aktivierung und Stärkung des Gluteus Medius.
Wenn dieser Muskel nun durch falsche Belastungen beim Kniebeugen überbeansprucht wurde, können sich Triggerpunkte bilden, die sich am Folgetag in deutlich spürbaren Schmerzen im unteren Rückenbereich bemerkbar machen. Oftmals ist es so, dass bspw. der Übergang vom Sitzen, das in korrekter Position schmerzfrei ist, hin zum Aufstehen in stechenden Schmerzen im unteren Rücken mündet.
Der Piriformis und Rückenschmerzen durch Kniebeugen
Ein weiterer Muskel, der im Krafttraining beansprucht wird und oftmals zu wenig Beachtung findet, ist der Piriformis. Dabei handelt es sich um einen Hüftmuskel, der ähnlich wie der Gluteus Medius für die Beinposition verantwortlich ist und bei (tiefen) Kniebeugen ebenfalls stark arbeiten muss. Verspannt dieser Muskel dauerhaft oder kann nicht in der Form arbeiten, wie er es sollte, kann es passieren, dass der Piriformis auf den Ischiasnerv drückt. Die Folge: Rückenschmerzen, die sich wie Probleme mit der Bandschreibe anfühlen können.
Insbesondere Personen, die die meiste Zeit des Tages über im Sitzen verbringen, üben zwar nur einen geringen, aber wiederholten und langandauerten Druck auf den Ischiasnerv aus, was die Probleme in Folge der Belastung von Kniebeugen verstärken kann. Ein möglicher Test, um zu überprüfen, ob man am sogenannten Piriformis-Syndrom leidet, stellt der FAIR-Test dar.
Selbst wenn du noch keine Schmerzen hast, kann es passieren, dass der Piriformis nicht so arbeitet, wie er es sollte. Dies kann dazu führen, dass der Piriformis aufgrund der passiv einwirkenden Kräfte bei tiefen Kniebeugen weiter gereizt wird. Die mittelfristige Folge können Schmerzen im unteren Rücken sein.
Schmerzen im unteren Rücken nach Kniebeugen vermeiden
Ob der Gluteus Medius die mögliche Ursache für die Rückenschmerzen ist, lässt sich relativ leicht prüfen: Leg dich dafür am besten hin und taste mit dem Daumen oder Zeige- und Mittelfinger mit möglichst großem Druck den oberen äußeren Bereich des Hinterns ab. Bei einem Muskel ohne Probleme sollte kein spürbarer Schmerz bemerkbar sein. Sind jedoch Triggerpunkte im Gluteus Medius vorhanden, wird dies durch einen stechenden Schmerz im Druckpunkt spürbar. Ursache der Triggerpunkte ist im Übrigen eine Überbelastung des Muskels sowie eine gehemmte Sauerstoff- und Calciumversorgung. Diese Triggerpunkte können durch gezielte Massagen behandelt werden, um auf Nummer sicher zu gehen, empfehlen wir dir einen Physiotherapeuten aufzusuchen.
Egal, warum und wieso: Rückenschmerzen im unteren Bereich sollten nach Kniebeugen nicht auftreten, sondern immer als Warnzeichen verstanden werden die Übungsausführung und den körperlichen Zustand zu reflektieren. Wenn die Technik stimmt, überprüfe den Gluteus Medius wie auch den Piriformis.